Wasserstoff

Wasserstoff: Zu teuer für den Heizkessel? – 2. Newsletter Dezember 2024

Einige Kommunen denken bereits daran, ihr Gasnetz statt für Wasserstoff zu ertüchtigen in einem oder anderthalb Jahrzehnten stillzulegen. Andere Städte und Gemeinden sowie manch Hausbesitzer oder Vermieter setzen auf das kleinste Molekül, um klimaneutrale Wärme zu erzeugen. Mit Wasserstoff wollen sie an kalten Herbst-, Winter- und Frühjahrstagen die Luft in ihren vier und mehr Wänden sowie Wasser zum Duschen oder Baden erwärmen. Die Idee: Kauf einen für das Verbrennen des Wasserstoffs tauglichen Brennwertkessel analog zur jetzigen Gastherme. Voraussetzung: Der mit erneuerbaren Energien erzeugte Wasserstoff strömt dann durch die bisherige und dafür ertüchtigte Gasleitung ins Haus. Alles andere bleibt, wie es ist. Klingt prima, weil einem auch das mühsame Herumschlagen mit neuen Heizsystemen erspart bleibt.

Allerdings setzt dieser Umstieg voraus, dass die neue Gastherme nicht nur 20 bis 30 Prozent Wasserstoff im Gasgemisch, sondern 100 Prozent verbrennen kann. Das Erdgas ist komplett zu ersetzen. Die meisten sogenannten H2-ready-Heizungen müssen dafür zumindest nachgerüstet werden. Und damit ist nur ein Problem gelöst. Notwendig wäre vor allem eine enorme Steigerung der Produktion an Wasserstoff. Dazu bedarf es eines stattlichen Ausbaus erneuerbarer Stromkapazitäten, also von Windkraft- und Solaranlagen. Außerdem müssen alle Gasleitungen das sichere Durchleiten des Wasserstoffs gewährleisten. Sie müssen dafür ertüchtigt werden.

Das Borderstep Institut mit Sitz in Berlin hat Experten (Diskussionspapier „Das Erdgasnetz, das Heizen mit Wasserstoff und die Wärmepumpe“) rechnen lassen. Private Haushalte und der Sektor Gewerbe/Handel/Dienstleistungen, kurz GHD, benötigen in Deutschland pro Jahr rund 179 Terawattstunden (1 TWh=1 Milliarde Kilowattstunden kWh)) Heizenergie. Um sie mit Wasserstoff aus erneuerbarem Energiestrom zu erzeugen, wären 271 TWh Strom erforderlich. Der Grund: Nur zwei Drittel der im Strom erhaltenen Energie kommt im Wasserstoff an. Ein Drittel des Stroms geht vor allem bei der Elektrolyse – dem Spalten des Wassers -, sowie durch Verluste beim Strom- und Wasserstofftransport verloren. Will man den erforderlichen Strom im Inland produzieren, müssten allein dafür fast 14 000 große Windräder installiert werden und auf 1135 Quadratkilometern Photovoltaikmodule stehen (1 Quadratkilometer=140 Fußballfelder). An Elektrolyseuren wären Anlagen mit einer Leistung von 80 Gigawatt zu errichten. Um kontinuierliche Elektrolyse zu gewährleisten, müssten das Stromnetz stärker ausgebaut und mehr Stromspeicher installiert werden.

Nun könnte Deutschland einen größeren Teil des Wasserstoffs einführen. Aber Kosten für Elektrolyseure, Stromerzeugung, Transportmittel (Pipelines/Schiffe) entstehen auch in möglichen Exportländern, wobei nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass laut Deutschem Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW), dem Branchenverband der Gas- und Wasserwirtschaft, für 33 TWh Wasserstoff 20 Millionen Kubikmeter Wasser notwendig sind. In Wüstenstaaten, in denen sehr günstig Solarstrom erzeugt werden kann, wird das kühle Nass der limitierende Faktor sein. Muss etwa Meerwasser entsalzt werden, sind pro Kubikmeter 4 Kilowattstunden Energie aufzubringen. Hinzu kommt, dass aus 100 Litern Meerwasser nur 45 Liter Trinkwasser entstehen. Spätestens seit dem Krieg in der Ukraine ist zudem klar, dass es Abhängigkeiten von Importen zu vermeiden gilt,

wenn man kostengünstiger und effizienter Strom wie Wärme produzieren und speichern kann. Natürlich muss für das kleine Wasserstoffmolekül das Gasnetz in Deutschland ertüchtigt werden. Dafür geben die Experten Kosten von 44 Milliarden Euro an. Hinzu kommt, dass das Erdgasnetz ständig instand zu setzen ist, was bis zum Jahr 2045 mit 196 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Hier ein kompletter Kostenvergleich:


Was zu bezahlen ist

Und was kostet eine Kilowattstunde Wasserstoff? Da streiten sich die Fachleute. Der DVGW rechnet mit Importpreisen für die Kilowattstunde von 11 bis 15 Cent. Andere Institute kommen bei Importen aus Saudi-Arabien oder Australien auf 19 bis 24 Cent. Das liegt auch an hohen Transportkosten. Dazu müssten im Inland Netzentgelte (für die Pipelines und das ertüchtigte Gasnetz) sowie Mehrwertsteuer bezahlt werden, was den Preis auf 25 bis 30 Cent erhöht.

Verbraucht ein älteres Gebäude mit 140 Quadratmetern rund 14 000 Kilowattstunden Wärme (100 kWh/qm/Jahr), benötigt der Brennwertkessel mit einem Wirkungsgrad von 95 Prozent rund 14 750 kWh Wasserstoff. Die Kosten beliefen sich laut Borderstep-Studie auf rund 4000 Euro. Die Wärmepumpe, die im Vergleich aus einer Kilowattstunde Strom 3 bis 5 Kilowattstunden Wärme gewinnt, kommt bei einem Strompreis von 30 Cent auf jährlich 1200 bis 1600 Euro. Verfügt das Gebäude über eine PV-Anlage samt Speicher, sinkt diese Summe ganz erheblich. Die Gestehungskosten für PV-Strom liegen zurzeit bei unter 10 Cent pro KWh.

Nun hat Wasserstoff unbestreitbar positive Eigenschaften, die sich für den Umbau unserer Energiewirtschaft nutzen lassen. In Bezug zu seinem Gewicht verfügt er etwa über eine sehr hohe Energiedichte. In Bezug auf das Volumen schwächelt er mit weniger als ein Drittel der Energiedichte gegenüber Erdgas hingegen. Deutschland müsste dennoch überschüssigen Strom aus Wind und Sonne mit Hilfe von Elektrolyseuren in Wasserstoff verwandeln. Im Jahr 2023 lag der Überschuss bei 34 TWh Strom. Im Jahr davor waren es 32 TWh. Der Wasserstoff hätte in Industrieprozessen sinnvoll eingesetzt werden können. „Für die reine Wärmerzeugung ist Wasserstoff aber ein no-go“, sagt der Ulmer Festkörperchemiker und Chef des Ulmer Batterieforschungszentrums, Professor Maximilian Fichtner. Die Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Professor Claudia Kemfert, bilanziert: „Heizen mit Wasserstoff ist wie Duschen mit Champagner“. Die Wasserstoffleiter zeigt, auf welchen Gebieten das kleinste Molekül den wirtschaftlich größten Nutzen stiftet und wofür es sich nicht eignet.

Und die Kommunen?

Städte und Gemeinden sollten im Zuge kommunaler Wärmepläne unbedingt beherzigen, dass der Gasverteilnetzbetreiber einen verbindlichen Fahrplan für die nächsten 20 Jahre vorzulegen hat, wenn er sein Gasnetz oder auch nur einen Teil davon auf die Versorgung mit Wasserstoff umbauen will. Dieser Fahrplan ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, den die Bundesnetzagentur genehmigt. Der Netzbetreiber verpflichtet sich, den im Versorgungsgebiet liegenden Gebäudeeigentümern die anfallenden Mehrkosten zu erstatten, falls die Umstellung auf Wasserstoff einschließlich der Wasserstoffversorgung scheitert. Existiert für ein Stadt- oder Gemeindeteil kein verbindlicher Fahrplan oder steht er nicht konkret in Aussicht, halten Rechtsexperten Planungen und Beschlüsse für Wasserstoffnetzgebiete, die private Haushalte versorgen sollen, nicht für verantwortbar.

Ausführlichere Infos: Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit (Hrsg.), Diskussionspapier: Das Erdgasnetz, das Heizen mit Wasserstoff und die Wärmepumpe, 2024

Rechtsanwälte Günther, Hamburg, Gutachterliche Stellungnahme zur kommunalen Wasserstoffnetzausbauplanung, Juni 2024, im Auftrag von Umweltinstitut München, Deutsche Umwelthilfe, WWF, GermanZero, Klima-Bündnis.

Autor: Dr. Martin Hofmann

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