Stockholm, Schwedens Hauptstadt, hat mehr als ein Dutzend, Mannheim eine seit Herbst 2023, in Köln sind zwei in Planung. Da darf Ulm nicht nachstehen. Oder? Aber in unserer kleinen Großstadt ist von solchen Innovationen nur im kommunalen Wärmeplan die Rede, also auf geduldigem Papier. In Neu-Ulm hingegen werden gleich zwei errichtet.
Um was geht es? Um Wärmepumpen. Nein, keine Wärmepumpen, die vor dem einen oder anderen Einfamilienhaus links und rechts des Donauufers stehen. In einem schnittigen Videoclip präsentieren die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm seit einem Monat die neue Botschaft. Großwärmepumpen sollen heißes Wasser in noch zu bauende Rohrleitungen pumpen. Dem Donauwasser wird Wärme entzogen. Diese Energie genügt, um das Kältemittel in der Wärmepumpe zu verdampfen. Der Dampf wird verdichtet und gibt seine Energie in einem Wärmetauscher an Fernheizwasser ab. Mit dem Einsatz einer Kilowattstunde Strom können so mindestens 2,5 Kilowattstunden Wärme erzeugt werden. Das bis zu fünf Grad kühlere Flusswasser fließt zurück in die Donau.
Mit dieser Umweltwärme lassen sich Wohnungen mit Warmwasser zum Duschen und Heizen versorgen, ganzjährig, wenn das Wasser im Fluss nicht zu kalt wird.
Funktioniert das? Acht Großwärmepumpen mit einer Leistung von 420 Megawatt (MW) versorgen 95 000 Haushalte in Stockholm mit Wärme. Die größte Wärmepumpe mit einer thermischen Leistung von 180 MW wird mit Meerwasser aus 15 Meter Tiefe betrieben und produziert eine Vorlauftemperatur von 80 Grad Celsius. Die Anlagen laufen zum Teil seit 1984 und 1986.
Im norwegischen Drammen holt eine Großwärmepumpe mit einer Leistung von 13,5 MW seit 2011 Wasser aus dem gleichnamigen Fjord. In 40 Meter Tiefe hat es konstant 8 bis 9 Grad Celsius. 6000 Haushalte sind angeschlossen.
Im dänischen Esbjerg versorgt eine Meerwasser-Wärmepumpe bis zu 25 000 Haushalte, die thermische Leistung liegt bei 60 MW. Die Anlage hat MAN Energy Solutions aus Augsburg gebaut.
In Mannheim steht eine 20 MW-Anlage von Siemens Energy für 3500 Haushalte. Das Wasser stammt aus dem Rhein.
In Stuttgart nutzt eine Großwärmepumpe seit Anfang April die Kühlwasserwärme des Müllheizkraftwerks und kann 10 000 Haushalte versorgen.
In Köln plant das Unternehmen RheinEnergie zwei Großwärmepumpen. Die größere Anlage kann für 50 000 Wohneinheiten Wärme produzieren.
Und die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm? Wer Großes wie eine Wärmewende plant, muss ganz klein anfangen, lautet das Motto an der Donau. Beide Großwärmepumpen sollen von 2026 an gerade mal 700 Neu-Ulmer Haushalten Warmwasser liefern. Das ist ein Fünftel dessen, was die Mannheimer Anlage bietet. Zwar fließt dort mehr Wasser den Rhein hinunter als die Donau bei Ulm. Aber mehr als der fünfte Teil an Wohnungen könnte an der Wärme aus dem Fluss schon profitieren. Zumal dieses Donau-Warmwasser an Ulm vorbeifließt, ohne dort auch nur irgendeinen Nutzen zu stiften.
Sinnvoller wäre eine Aufteilung der wässrigen Umweltwärme zwischen Ulm und Neu-Ulm. Die einen nutzen das Flusswasser, die anderen das geklärte Wasser aus dem Klärwerk Steinhäule, bevor es in die Donau fließt. Hamburg entzieht seinem Klärwasser (12 bis 22 Grad) mit Großwärmepumpen künftig Wärme für 39 000 Haushalte, Wien hat dies bereits umgesetzt, drei Anlagen wärmen 56 000 Wohneinheiten. Über das Klärwerk Steinhäule könnten übers Jahr leicht und locker 10 000 Wohnungen mit Heiz- und Duschwasser versorgt werden. Neu-Ulmer Häuser liegen näher dran als Ulmer Gebäude oder sind leichter anzuschließen
Übrigens: Die skandinavischen Länder Finnland, Schweden, Norwegen und Dänemark haben die Wärmewende im vergangenen Jahrzehnt weitgehend abgeschlossen. Und um den Überblick zu behalten: Wärmeanwendungen bis 200 Grad Celsius verursachen in Deutschland rund drei Viertel des Erdgasverbrauchs und ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen.