Echte Ulmer Förderfüchse – Newsletter Januar 2024

Selten können Städte auf so eine Weitsicht zurückblicken. Vor 33 Jahren starteten die Ulmer Kommunalverantwortlichen ein eigenes städtisches Energieförderprogramm. Wie heute legten sie 1991 den Schwerpunkt auf bessere Dämmung von Gebäuden, denn jede dadurch eingesparte Klowattstunde an Wärme senkt die Heizkosten. Ulm sponsert auch stets den Einsatz erneuerbarer Energien.

Warum? Das Thema trieb die Menschen damals um. Im Herbst 1990 legte die Enquete-Kommission des Bundestags zum Thema Klimawandel ihren dritten Bericht mit dem Titel „Schutz der Erde“ vor. Die elf Abgeordneten und elf Wissenschaftler empfahlen, die Emission der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan in Deutschland bis 2005 um mindestens 30 Prozent zu senken. Globales Ziel: Den Temperaturanstieg der Erdatmosphäre auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. „Notwendig sind allerdings nicht nur Beschlüsse staatlicher Entscheidungsträger, sondern auch die aktive Unterstützung und Mithilfe der Bevölkerung“, schrieb damals der Vorsitzende der Kommission Bernd Schmidbauer, CDU-Abgeordneter aus Heidelberg.

Ulmer Stadtmütter und Stadtväter hörten das Signal und beschlossen ihr Förderprogramm. Heute lobt sich die Stadt, die Zuschüsse seien ein „wirkungsvoller Baustein der städtischen Klimaschutzstrategie“. Und natürlich haben die bisher ausbezahlten 8,4 Millionen Euro etwas bewirkt. Allerdings müssten Stadtverwaltung und Gemeinderat intensiver über Folgendes nachdenken. Warum haben die Leute den Topf des Förderprogramms in keinem einzigen Jahr ausgeschöpft? Häufig floss nicht einmal die Hälfte der Fördergelder. Kein Grund dürften die einzelnen Zuschüsse sein. Wenn die öffentliche Hand dieselbe schon mal aufhält, sind nicht nur Schwäbinnen und Schwaben zur Stelle.

Das Rätsel ist rasch gelöst. Die Stadtverwaltung verfährt nach dem Grundsatz: Tue Gutes, aber rede lieber nicht oder ganz selten darüber. Sprich: Die ganz große Zahl der Ulmerinnen und Ulmer weiß nicht, dass die Stadt beim Austausch der Heizung von Öl und Gas auf regenerative Energien bisher 3000, künftig 5000 Euro zuschießt, Photovoltaik-Anlagen, auch Stecker-Solaranlagen am Balkon, sowie Dämmung mit recycelfähigem Material fördert oder einen Beitrag für neue Plusenergie- und Vollholzhäuser leistet.

Nun hat die Stadtverwaltung Bilanz zu ihrem Förderprogramm gezogen. In Jubel bricht sie nicht aus, obwohl es dafür eine veritablen Grund gäbe: Die Förderanträge haben sich mehr als verdoppelt (von 290 im Jahr 2022 auf 726 bis Oktober 2023). Es klingt wie eine Klage, wenn die Stadt dazu in schönstem Bürokratendeutsch bilanziert: „Diese signifikante Steigerung der Antragszahlen stellt die Sachbearbeitung vor eine große Herausforderung, welche aktuell nur durch Priorisierung gegenüber anderen Aufgaben bewältigt werden kann.“ Dabei werden die 750 000 Euro Zuschüsse wieder nicht abgeräumt. Es blieben bis Jahresende geschätzte 100 000 Euro übrig, so die Stadt.  Ich kenne eine Rentnerin, die würde für schlappe 450 Euro den Auftragsstau abarbeiten helfen. Dann erhielte die laut Stadtverwaltung „wichtige Säule zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen“ wenigstens ein stabileres Fundament, wenn es auch schmal bleibt.

Warum? In die Höhe geschnellt sind vor allem Anträge für PV-Balkonanlagen von 57 im Vorjahr auf 430. Da wollen vor allem Menschen, die Preissteigerungen härter treffen, gestiegene Stromkosten durch selbst erzeugte Kilowattstunden zu senken. Was auch gelingt. Und daran müsste die Stadt gesteigertes Interesse haben, es sei denn ihr soziales Auge bedeckt eine schwarze Piratenklappe. Dazu passt, dass sie den Zuschuss für Balkon-Anlagen künftig kürzt. Begründung: stark gesunkene Kosten für PV-Module und Mikrowechselrichter. Statt maximal 250 gibt es künftig nur noch 150 Euro. Ein 50-Prozent-Zuschuss, wie das Förderprogramm behauptet, ist das städtische Zubrot überdies nicht. Für 300 Euro ist eine komplette Stecker-Solaranlage nicht einmal als Top-Schnäppchen zu erwerben. Und dann muss der Besitzer mit Qualitätsmängeln rechnen. Hinzu kommt: Bisher landete weit mehr als die Hälfte der Fördermittel bei Einfamilienhausbesitzern. Da darf man zugunsten weniger Wohlhabender umschichten statt zu kürzen. Ein Beispiel zum Nachahmen: Darmstadt nimmt bei Balkonanlagen alle sozial Schwachen mit. Sie beteiligen sich an zwei Modulen + Zubehör Sonnenstrom vom Balkon mit 75 Euro. Den Rest zahlt die Kommune.

Leider minimal gestiegen sind Anträge auf größere PV-Anlagen: von 178 im vergangenen Jahr auf 245 bis Herbst 2023. Da muss die Stadt Ulm samt ihrem Gemeinderat noch viel bewegen, will sie ihr beschlossenes Ziel erreichen. Bis 2030 soll die Photovoltaik-Leistung von jetzt 64 auf 200 Megawatt ansteigen. Die Stadt beschleunigt den Zubau nicht gerade, wenn sie mit der neu gegründeten Donau-Energie-Bürgergenossenschaft monatelang über Pachtverträge verhandelt, bevor auch nur ein Modul auf einem Dach Elektrizität liefern kann.

Ganz aus der Zeit gefallen ist städtische Finanzhilfen für Pelletheizkessel zu gewähren. Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung rechnet vor, dass Pellets beim Verbrennen die 3-fache Menge Kohlendioxid wie Gas und doppelt so viel wie Kohle in die Luft pusten. Das Umweltbundesamt rät, die Förderung der Pelletkessel „spätestens 2023 einzustellen“. Holz sei als Rohstoff viel zu wertvoll verbrannt zu werden; die verfügbare Menge an Restholz sei ausgeschöpft. Zudem dauert es Jahrzehnte, bis das Kohlendioxid, das durch Holzverbrennen ausgestoßen wird, wieder in nachwachsenden Bäumen gebunden ist. Der Klimawandel lässt uns diese Zeit nicht. Da wandeln die Ulmer Förderfüchse auf einem ungehobelten Holzweg.

Die Schlussbemerkung zum städtischen Förderprogramm:  Es ist gut, dass es bereits Zuschüsse für die Energie- und Wärmewende gibt. Doch auch in der Kommunalpolitik gilt es, Prioritäten zu setzen. Wie sagt der Volksmund: Das Bessere ist stets der Feind des Guten.

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